Wie die Klänge das Ohr so durchdringen die Gerüche den Menschen in seinem Atem. Die Pflanze verlöscht, und unsichtbar wie die Töne strömen die Duftmoleküle auf uns ein. Sie teilt uns etwas mit, indem sie unseren Geist verändert.

Incense of Music ist eine olfaktorische Konzertreihe, in der simultan zur erklingenden Musik exquisites Räucherwerk verbrannt wird. Klänge und Gerüche durchdringen sich synästhetisch und interagieren auf eine Weise, die den sinnlichen Fokus der Hörer und Musiker verstärken und das gemeinsame spirituelle Gewahrsein unterstützen. Denn im Moment ihres Verlöschens gibt die Pflanze etwas an uns weiter. Ihre Essenz wird in das geistig-körperliche Wesen des Menschen hineingetragen, hinübergespielt. Unsichtbar wie die Töne strömen die Duftmoleküle auf uns ein. Sie teilen sich uns mit, indem sie unseren Geist verändern. Für unsere Konzerte verwenden wir zur Verräucherung jeweils ein Pflanzenpaar. Der perzeptive Charakter und die kulturgeschichtliche Herkunft unserer Düfte korrespondieren den Biografien der auftretenden Musiker und dem musikgeschichtlichen Hintergrund ihrer Instrumente und Klänge. Es kommt zu einem mehrstimmigen offenen Dialog auf verschiedenen Ebenen: zwischen den Pflanzen untereinander, zwischen Musik und Duft, zwischen Mensch und Raum.

engl.: Incense of Music is an olfactory concert series where we burn exquisite incense simultaneously with the music. Sounds and smells penetrate synaesthetically and interact in a way that enhances the sensual focus of the listeners and musicians and supports the common spiritual awareness. For at the moment of its extinction the plant passes on something to us. Her essence is brought into the somato-spiritual being of man like played over into a different field. Invisible like the sounds, the fragrance molecules pour in on us. They share with us by changing our minds.In our concerts we dedicate a pair of plants burned in two separate sets before and after the break. Perceptual identity and cultural background of the fragrances correspond to the provenances of our musicians as well as to the history of their instruments and sounds. Intuitionally there develops polyphonic interaction among plants, music and fragrance, in between mind and space.

 

 

 

Riechen und Hören lagern und justieren von sich aus den konkreten rezeptionsästhetischen Ort ins sinnliche Zentrum der Szenerie, den Menschen. Sie sind die beiden offensten grenzüberschreitensten und transkulturellsten Sinne, die wir besitzen. Der Raum umschließt seinen Hörer mit den in der Luft verteilten Duftmolekülen und den in ihm schwingenden Obertönen. Es entsteht eine aus Klängen und Düften gewobene innere Landschaft.

engl.: Smelling and hearing by their very nature adjust the concrete place of receptive aesthetics into the sensual center of the scene, the human being. They are the two most open, cross-border and transcultural senses we possess. The room surrounds his listener with airborne fragrance molecules and harmonics vibrating in it. This creates an inner landscape woven from sounds and fragrances.

 

Jan Brueghel, „Geruch“

Oft sind die exotischen Namen von Pflanzen, Musikstilen und -instrumenten mit der Aura des Geheimnisvollen aufgeladen. Über die globalen Wegesnetze der Geschichte geht auch das vormals Exotische ins Eigene ein – die Substanzen gleichermaßen wie ihre Namen. Selten wird das so deutlich wie im interkulturellen Austausch der Pflanzen und dem Einfluss, den sie als Nahrungsmittel, Grundstoffe für Textilien und als Gewürz-, Heil- und Räuchermittel auf die kulturelle Entwicklung der Regionen, Länder und Kontinente weltweit ausübten. Wie die Weizen-, Mais- oder Reispflanzen sich global verbreiteten und durch ihren Nutzen den unwissenden Menschen evolutionsgeschichtlich instrumentalisierten, so traten – wiewohl auf ganz andere Weise – die Duftpflanzen ihren Siegeszug durch die menschliche Psyche an. Und der Mensch zog, pflegte und vermehrte in seinen Gärten und Plantagen auch den Weihrauch, das Palo santo, die Tonkabohne oder das Salvia divinorum… Sie wurden benutzt in kultisch gebundenen Zeremonien oder in Ritualisierungen, die den Alltag gestalteten – als Mittel zur Klärung von Körper und Wohnstätte oder zur Inspiration. Manche von ihnen gingen mit der Zivilisation unter, die ihnen ihr Habitat eingerichtet hatte und wurden  vergessen. Etliche Räucherpflanzen aber sind irgendwo auf der Welt immer noch in Gebrauch und können von dort in ihre Ursprungsregionen zurückreisen. Wie ein altes vergessenes Wort kehren sie aus der Fremde wieder.

engl.: Oftenly exotic names of plants, musical styles and instruments are charged with the aura of the mysterious. Through global pathways of history the former exotic enters into its own – substances as well as their names. Rarely this becomes as evident as in the intercultural exchange of plants and the influence they have had on the cultural development of the regions, countries and continents worldwide as foodstuffs, basic materials for textiles or as spices, medicines and fumigants. Just as wheat, maize or rice plants spread globally and, through their own usefulness, instrumentalized the human in evolutionary terms, the scented plants, though in a very different way, took their triumph over the human psyche. Man moved and cultivated frankincense, the palo santo, the tonka bean, or the salvia divinorum in his gardens and plantations…. They were used for ceremonial purposes or in everyday’s rituals as a means of clarification of body and abode or as inspirational tools. Some of them perished within the civilization that had set up their habitat before and then were forgotten. However, incense plants from the same family are still in use somewhere in the world and could come back one day from there to their regions of origin. Like an old forgotten word they might return from a foreign country.

 

 

Olfaktorischer Nerv

 

 

Räucherpflanzen sind Symbole der Grenzüberschreitung und des Austauschs – zwischen uns selbst und dem Anderen, zwischen unserem illusionären Besitz an Erfahrungen oder unserem Konsum, mit denen wir unseren Mangel an uns selbst zu kompensieren trachten und den stärker werdenden Ansprüchen, mit denen das scheinbar Fremde an uns herantritt. Riechen und Hören sind die beiden offensten und transkulturellsten Sinne die wir besitzen.engl.:Incense plants are symbols of the crossing and exchange between ourselves and the other, between our illusionary possession of experiences – a form of inner consumption in order to compensate ourselves for our lack of ourselves – and the seemingly growing demands the stranger approaches us with. With regard to this context we can look at smelling and hearing as the two most open and transcultural senses we own.

 

 

Seine Luft zum Atmen verbindet den Menschen mit dem Kosmos. Die Gerüche durchdringen den Menschen in seinem Atem. Viele Pflanzen erreichten daher mythische Qualität; so der Lorbeer oder die Zypresse in Europa, der Drachenblutbaum in Asien. Viele Gewürzpflanzen sowie Brennhölzer vereinigten physiologische und mentale Qualitäten in sich und kamen in der Küche wie im Räucherkelch in Gebrauch, wie etwa Salbei oder Birke. Andere kamen während sexueller Ausschweifungen in sakral gebundenen oder profanen Ritualen zu Ehren, wie das Labdanum, eines der begehrtesten Aphrodisiaka des europäischen Altertums. Wie die Kulturen selbst, haben auch die Räucherpflanzen immer wieder Rückschläge in ihrer Geschichte zu verzeichnen: Die Räucherung von Weihrauch wurde im katholischen Europa außerhalb kultisch geweihter Räume untersagt, die Verwendung nur eines bestimmten Weihrauchs in kirchlichen Feiern vorgeschrieben; an einer Universität in Utah wurden kürzlich einem indianischen Studenten seine meditativen Übungen unter Anwendung von Salbeiräucherung untersagt; in vielen islamisch geprägten Ländern gibt es Restriktionen für die anrüchig duftenden Essenzen der Pflanzen. Die ‘Rose von Mekka’ ist ein Überlebender der kultischen Bereinigung der Düfte…

engl.: Air for breathing connects the human being to the cosmos. Odors penetrate the human in his breath. Many plants therefore attained mythical quality; so laurel and cypress in Europe, the dragon-blood tree in Asia. Many kitchen herbs as well as firewood combined physiological and mental qualities and came equally into use in the kitchen as in the incense bowl, such as sage or birch. Others were honored during sexual orgies in sacred or profane rituals, such as the Labdanum, one of the most coveted aphrodisiacs of European antiquity. Like the cultures themselves incense plants have repeatedly setbacks in their history: the frankincense-plant was forbidden in Catholic Europe outside of cultic areas, the use of only a certain incense prescribed in ecclesiastical celebrations; at a university in Utah, an Indian student recently was banned from meditating with the use of White Sage; in many Islamic countries there are restrictions for the disreputable fragrant essences of the plants. The ‚Rose of Mecca‘ is a survivor of a cultic cleansing of fragrances …

 

Pflanzen werden aufgrund ihres sympathikomimetischen und empathogenen Potentials natürlich auch als Psychodrogen konsumiert, als Mittel zur Stimulation oder Entlastung. Hier gibt es einen direkten unvermittelten Dialog, eine Einheit von Pflanze und Mensch, botanisch-neurophysiologische Schnittstellen der Kommunikation. Botenstoffe der Pflanzen interagieren mit den Neurorezeptoren im menschlichen Gehirn. Unsichtbar wie die Töne strömen die Duftmoleküle auf uns ein und teilen uns etwas mit, indem sie unseren Geist verändern [1]. Jeder kennt solche Einwirkungen und verfügt bewusst und unbewusst über einen Vorrat davon im sogenannten episodisch-autobiographischen Gedächtnis. Nicht nur in den Literaturen der Welt trägt ein jeder Duft und Geruch sein eigenes, individuell und gemeinschaftlich geprägtes Narrativ in sich. Darüber hinaus lässt sich das im Gehirn angelegte olfaktorische Differenzierungsvermögen als Wissenschaft der Aromastoffe gezielt trainieren [2].

engl.: Due to their sympathicomimetic and empathogenic potential plants are also consumed as drugs, as stimulant or relief. Here there is a direct, immediate dialogue, a unity of plant and human, botanical-neurophysiological interfaces of communication. Plant messengers interact with the neuroreceptors in the human brain. Invisible like the tones, the fragrance molecules are pouring on us and communicating with us by changing our minds. Everyone knows such influences and consciously or unconsciously have a supply of them in the so-called episodic-autobiographical memory. It is not only in the literatures of the world that every scent and smell carries its own narrative, individually and collectively. In addition, the olfactory differentiation capacities of the nose and the brain can be specifically trained as a science of aromas.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[1]   Selbstverständlich kommen ausschließlich pflanzliche Essenzen zum Einsatz, die medizinisch verträglich sind und dem BTMG entsprechen.

[2]   Vgl. u.a. Günther Ohloff, Riechstoffe und Geruchssinn. Die molekulare Welt der Düfte, Springer-Verlag, Berlin 1990, ISBN 3-540-52560-2. Englische Übersetzung: Scent and Fragrances: The Fascination of Odors and Their Chemical Perspectives, Springer Verlag, New York, 1994, ISBN 0-387-57108-6.