Incense of Music Nr. 22 – Ein olfaktorisches Konzert – 15. Dezember 2017, 19:00 Uhr – DHALGREN: Chris Dahlgren: Gitarre, Bass, Viola da gamba, Stimme –  Evi Filippou: Vibraphon, Claudio Puntin: Klarinette und Bassklarinette – Fabio Dondero und Dominik Breider (Incense): Petitgrain und Neroli. Salon Dreiklang, Paul Robeson Strasse 47 , 10439 Berlin

Es ist wieder so weit: Incense von Music kehrt zurück, diesmal im Salon Dreiklang von Natascha Osterkorn im Prenzlauer Berg. Der amerikanische Ausnahmekontrabassist Chris Dahlgren präsentiert seine neue Platte als Sänger, Gitarisst und Viola da gamba Spieler. Begleitet und für Zwischenimprovisationen inspiriert, wird er von der griechischen Perkussionistin Evi Filippou am Vibraphon und von dem Klarinettisten Claudio Puntin aus der Schweiz. Aus musikalischer Sicht, ein Abend der Superlative.

Dazu räuchern wir, und diesmal anders. Bei unseren 21 vergangenen Konzerte, haben wir stets eine Schüssel und eine heisse Kohle benutzt, manchmal Büschel angezündet, um inzwischen knapp 40 unterschiedliche Pflanzen aus aller Welt zu verbrennen, von der Wurzel bis zur Blüte. Um einen Rauch zu erzeugen, der voller ätherische Öle ist und nachweisbar positive Wirkungen auf den Menschen hat. Das ist seit tausenden von Jahren erprobt und unverzichtbarer Bestandteil sämtlicher Kulturen.

Diesmal anders, weil der Raum besonders ist, verhältnismäßig klein, intim und gemütlich. Wegen der Umstände verzichten wir auf offenes Feuer und benutzen stattdessen die Vorzüge der modernen Technologie. Ein Ultraschall Aroma dispenser aus Japan wird den Job übernehmen und ätherische Öle in dem Raum verdampfen. Obwohl wir nicht mit der „wahren“ individuellen Pflanze mehr hantieren, mit Glut, Rauch und Asche, hat das entscheidende Vorteile: viele Pflanzen, manche auch gekrönte highlights der Parfumerie, entwickeln bei einer Räucherung ihrer festen Bestandteile nur mäßige Erfolge: viel Rauch, um vielleicht eine kleine Note zu spüren, vielleicht. Ihr destilliertes Öl ist da ganz anders.

Anfangen werden wir mit Petitgrain, die Bezeichnung eines farblosen bis gelblichen ätherischen Öls, das aus den Blättern, Zweigen und unreifen grünen Früchten der Bitterorange gewonnen wird. Es wird zur Parfümherstellung als Herznote verwendet und wird per Dampfextraktion gewonnen. Die Hauptproduktionsgebiete sind Paraguay und Frankreich. Petitgrain (fr. Kleines Korn) verdankt seinen Namen der Tatsache, dass es früher aus den unreifen kleinen grünen Früchten der Pflanze gewonnen wurde. Das Öl hat einen grünlich-holzigen Orangengeruch, der in der Parfümerie weit verbreitet ist und in Kölnisch Wasser gefunden wird. Obwohl aus der gleichen botanischen Spezies wie Neroli und Bitterorange destilliert, besitzt Petitgrain sein eigenes charakteristisches einzigartiges Aroma. Das Öl wird aus den Blättern und manchmal den Zweigen des Baumes destilliert, während Neroli aus den Blüten destilliert wird und Bitterorangenöl typischerweise aus den Rinden der Früchte kalt gepresst wird.

Im zweiten Teil treffen wir bei der gleichen Pflanze die Neroli. Traditionell Sizilien zugeschrieben (Neroli soll seinen Namen der Legende nach von der sizilianischen Prinzessin Nerola erhalten haben, die diesen Duft überaus liebte und auf ihre Handschuhe tröpfelte), wird es heute vorwiegend in den Ländern des Maghreb, also Tunesien, Marokko und Algerien, aber auch in Spanien und in der Karibik angebaut. Aus einer Tonne Blüten wird etwa ein Kilogramm ätherisches Neroliöl durch Wasserdampfdestillation gewonnen. Neroli ist im Duftprofil zart-blumig, frisch, süß, strahlend und lieblich. Es wird für die Herznote eingesetzt. Neroli wird aufgrund seiner entspannenden und entkrampfenden, gleichzeitig jedoch auch anregenden Wirkung für die Aromatherapie genutzt und sollte nicht mit dem Orangenschalenöl verwechselt werden.

Jean-Baptiste Oudry, The Orange Tree, 1740, aus Wikipedia

Ein Abend, also, gewidmet der Orange, besser gesagt, dem Orangenbaum, der wesentlich mehr zu bieten hat als seine saftigen Früchte. Zwei Düfte aus dem gleichen Baum, völlig anders, völlig gleich. Dazu, wie bereits erwähnt, die Musik der obengenannten Künstler, ein Ereignis an sich.

Chris Dahlgren by Fabio Dondero

 

Chris Dahlgren wurde am 13. November 1961 in New York geboren. Seine musikalische Laufbahn begann er im Alter von 6 Jahren mit dem Violoncello und wechselte später zum Kontrabass. Chris‘ früheste Improvisationsversuche auf dem Cello brachten ihm den Zorn seines Musiklehrers ein, der ihn anschrie: „Raus hier, Dahlgren – Du wirst niemals Musiker sein!“ 1986 schloss er sein Studium im Fach Jazz am Cincinnati Conservatory of Music mit dem B.A. ab und 2003 machte er den M.A. in Komposition/Experimentelle Musik an der Wesleyan University. Er nahm Kompositionsunterricht bei La Monte Young, Anthony Braxton, Alvin Lucier und Christian Wolff und Bassunterricht bei Barry Green, Francois Rabbath und Dave Holland. Als Hausbassist im Blue Wisp Jazz Club in Cincinnati/Ohio hatte er Mitte der 80er Jahre die Gelegenheit, den Jazz aus erster Hand kennen zu lernen, nämlich von einigen der größten amerikanischen Künstler, wie Herb Ellis, Red Rodney, John von Ohlen, Art Lande, Charles Tolliver und Joe Lovano. Zu dieser Zeit machte er sich in der Musikszene von Cincinnati einen Namen als Komponist und einzigartiger Bassist und Mitbegründer der Gruppe Ekimi. Es folgte die Gründung des Musiklabels Krysdahlark, mit dem er einige seiner Platten produzierte. 1993 kehrte er zurück in seine Heimatstadt New York und war 11 Jahre lang aktives Mitglied der Downtown-Musikszene, wo er mit seiner eigenen Band und verschiedenen anderen spielte und Aufnahmen produzierte. In dieser Zeit veröffentlichte er als Komponist und Improvisator viele seiner Werke auf Labels wie Koch Jazz, CIMP, Not Two, Between-the-Lines, Leo, ESP, darüber hinaus erschien er als Gastmusiker in zahlreichen Aufnahmen anderer Künstler. Von 2001 bis 2009 war er reguläres Mitglied des Ensembles von Anthony Braxton, einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der Avantgarde-Jazz-Szene. Ebenfalls seit 2003 lebt er in Berlin, wo er mit verschiedenen Bands auftritt, komponiert und mit großen europäischen Musikern, Komponisten und Künstlern zusammen arbeitet sowie Jazz-Ensembles an der Musikhochschule Hanns Eisler und am Jazz-Institut Berlin unterrichtet. 2006 begann Chris, Viola da Gamba zu spielen und führt dieses Instrument nun auch in die Welt der Improvisationsmusik ein. 2008 gründete er seine neue Band, LEXICON. Das Debütalbum erschien im März 2010 auf dem Label Jazzwerkstatt. Er tourt regelmäßig durch die ganze Welt mit seinem eigenen und anderen Ensembles. Seine Arbeit als Komponist fand große Anerkennung in Form von zahlreichen Stipendien und Preisen, sowohl von staatlichen Organisationen wie dem National Endowment for the Arts, Ohio Arts Council und Headland Arts Center, als auch im Rahmen von Auftragsarbeiten für verschiene private Auftraggeber und Institutionen.

chrisdahlgren.com

Evi Filippou by Fabio Dondero

Evi Filippou begann im Alter von 7 Jahren Schlagzeugunterricht zu nehmen. Im Jahr 2009 gab sie ihr erstes Konzert in Athen mit einem Stipendium der Freunde der Musik. Zwei Jahre später schloss sie mit einem ersten Preis und zog nach Berlin, um ihr Bachelor-Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler zu starten. Sie spielte u.a. mit dem Bolshoi-Ballet Orchestra, dem Cyprus Symphony Orchestra und dem Orchester des Konzerthauses Berlin. Evi ist ein Gründungsmitglied des Opera Lab Berlin, ein unabhängiges Ensemble, welches sich im Musiktheater spezialisiert hat, und mit dem Evi ein Stück von Salvatore Sciarrino in der Staatsoper Berlin uraufgeführt hat. Im Jahr 2015 hat sie ein Solokonzert in der Serie Welcome young Artists! in Athen gespielt. Zusammen mit dem Saxophonisten Hayden Chisholm gründete sie ein Duo, das zeitgenössische sowie Originalkompositionen spielt. Sie treten damit auf der ganzen Welt auf und haben soeben ihr Duo Album Blowslab aufgenommen. Evi spielt auch in vielen Pop-, Jazz- und Theaterprojekten mit.

Claudio Puntin by Grzegorz Gołębiowski

Claudio Puntin spielte in seiner Jugend mit seinem Bruder und seinem Vater auf der Mundharmonika Volksmusik auf Bauernfesten im italienischen Friaul. Mit 9 Jahren fing er an, Klarinette zu spielen. Von 1981 bis 1985 erlernte Puntin den Beruf eines Goldschmiedes an der Schule für Schmuckgestaltung Luzern und erhielt 1985 den Prix Golay Buchel Schmuck und Design. Von 1987 bis 1993 studierte er in Köln und Rotterdam Klarinette, Bassklarinette, Jazz und zeitgenössische Musik. Er nahm regelmässig an Lehrveranstaltungen von Sergiu Celibidache teil, den er als einen seiner wichtigsten Lehrer bezeichnet. Er gründete verschiedene Formationen wie das Schorn Puntin Duo (mit Steffen Schorn) mit dem er von 1990 bis 2013 weltweit tourte. Es folgten diverse Ensembles wie Quipu, das Claudio Puntin Trio (mit Anders Jormin und Miroslav Tadić), „Essence of North“ mit der isländischen Geigerin Gerdur Gunnarsdóttir, das World Clarinet Quartet (mit Gabriele Mirabassi, Luca Raele und Paulo Sérgio Santos), den „Balkan Clarinet Summit“, SEPIASONIC, das „Trio Dolce Vita“, das Barockensemble „Lamento Project“ und zusammen mit Martina Taubenberger das Festival Tonspuren. Als Komponist und Produzent realisierte er Musik für Hörspiele, Filme, Theater und Ausstellungen, u.a. zu: Vermessung der Welt (Daniel Kehlmann), Rot ist mein Name (Orhan Pamuk), Soundless Wind Chime (Berlinale 2009). Als Solist ist er in diversen Filmen zu hören wie Jenseits der Stille, Nur über meine Leiche, Pünktchen und Anton (1999). Er vertonte 10 Bilder von Anselm Kiefer für die Bundeskunsthalle Bonn. Die Konzertsuite „AROMA, imaginative Spaces for Clarinet, Bassclarinet, Electronics and Orchestra“ wurde vom finnischen Dirigenten Osmo Vänskä in Auftrag gegeben und von ihm zusammen mit dem Minnesota Orchestra und dem Komponisten als Solisten am 11/12. Nov. 2016 in der Orchestra Hall Minneapolis MN uraufgeführt. 2011 gründete er das Elektro-Akustik Trios Ambiq zusammen mit Samuel Rohrer und Max Loderbauer. Ambiq setzt als erstes Ensemble ACO’s (Acoustic Controlled Oscillator), Trigger und andere Verfahren ein um u.a. modulare Synthesizer von Klarinetten und Schlagzeug kontrollieren zu können. Tracks von Ambiq wurden von diversen DJs remixed. Neben Thomas Fehlmann, Tobias., Margaret Dygas, ist vor allem die Zusammenarbeit mit Ricardo Villalobos hervorzuheben. Mit ihm zusammen haben Ambiq in einigen Live-Konzerten ihre neue Form freier elektronischer Musik einem DJ-orientierten Publikum nahe bringen können. Von 1998 bis 2008 unterrichtete er an der Musikhochschule Köln, von 2009 bis 2013 war er Dozent für Jazz-Klarinette am JIB Universität der Künste Berlin, er gibt internationale Masterclasses und Workshops u.a. an: California Jazz Conservatory, Musikhochschulen in Trento, Helsinki, Beijing, Bangkok, Hanoi, Luzern, Leipzig, Dresden, Arnhem, Belgrad, La Paz, Santiago. Im Duo mit Schorn war Puntin 1991 Finalist der European Jazz-Competition Leverkusen, gewann 1993 den ersten Preis des Musik-Kreativ Wettbewerbs Frankfurt und 1994 den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen sowie den Southern Comforts Jazz-Musician of the Year, 1999 den Essener Jazzpott, 2000 erhält er das Werkjahr des Kantons Zug, 2004 wird er erster Preisträger des WDR-Jazzpreis in Köln. 2013 wird er Composer in Residence und künstlerischer Leiter des Festivals Tonspuren (Irsee). (letzter Absatz aus Wikipedia)

claudiopuntin.com