Incense of Music ist eine olfaktorische Konzertreihe, in der simultan zur erklingenden Musik exquisites Räucherwerk verbrannt wird.
Klänge und Gerüche durchdringen sich synästhetisch und interagieren auf eine Weise, die den sinnlichen Fokus der Hörer und Musiker verstärken und das gemeinsame spirituelle Gewahrsein unterstützen. Denn im Moment ihres Verlöschens gibt die Pflanze etwas an uns weiter. Ihre Essenz wird in das geistig-körperliche Wesen des Menschen hineingetragen, hinübergespielt. Unsichtbar wie die Töne strömen die Duftmoleküle auf uns ein. Sie teilen sich uns mit, indem sie unseren Geist verändern. Für unsere Konzerte verwenden wir zur Verräucherung jeweils ein Pflanzenpaar. Der perzeptive Charakter und die kulturgeschichtliche Herkunft unserer Düfte korrespondieren den Biografien der auftretenden Musiker und dem musikgeschichtlichen Hintergrund ihrer Instrumente und Klänge. Es kommt zu einem mehrstimmigen offenen Dialog auf verschiedenen Ebenen: zwischen den Pflanzen untereinander, zwischen Musik und Duft, zwischen Mensch und Raum.
Riechen und Hören lagern und justieren von sich aus den konkreten rezeptionsästhetischen Ort ins sinnliche Zentrum der Szenerie, den Menschen.
Sie sind die beiden offensten grenzüberschreitensten und transkulturellsten Sinne, die wir besitzen. Der Raum umschließt seinen Hörer mit den in der Luft verteilten Duftmolekülen und den in ihm schwingenden Obertönen. Es entsteht eine aus Klängen und Düften gewobene innere Landschaft.
Oft sind die exotischen Namen von Pflanzen, Musikstilen und -instrumenten mit der Aura des Geheimnisvollen aufgeladen.
Über die globalen Wegesnetze der Geschichte geht auch das vormals Exotische ins Eigene ein – die Substanzen gleichermaßen wie ihre Namen. Selten wird das so deutlich wie im interkulturellen Austausch der Pflanzen und dem Einfluss, den sie als Nahrungsmittel, Grundstoffe für Textilien und als Gewürz-, Heil- und Räuchermittel auf die kulturelle Entwicklung der Regionen, Länder und Kontinente weltweit ausübten. Wie die Weizen-, Mais- oder Reispflanzen sich global verbreiteten und durch ihren Nutzen den unwissenden Menschen evolutionsgeschichtlich instrumentalisierten, so traten – wiewohl auf ganz andere Weise – die Duftpflanzen ihren Siegeszug durch die menschliche Psyche an. Und der Mensch zog, pflegte und vermehrte in seinen Gärten und Plantagen auch den Weihrauch, das Palo santo, die Tonkabohne oder das Salvia divinorum…
Räucherpflanzen wurden in kultisch gebundenen Zeremonien oder in Ritualisierungen benutzt, die den Alltag gestalteten –
als Mittel zur Klärung von Körper und Wohnstätte oder zur Inspiration. Manche von ihnen gingen mit der Zivilisation unter, die ihnen ihr Habitat eingerichtet hatte und wurden vergessen. Etliche Räucherpflanzen aber sind irgendwo auf der Welt immer noch in Gebrauch und können von dort in ihre Ursprungsregionen zurückreisen. Wie ein altes vergessenes Wort kehren sie aus der Fremde wieder.
Räucherpflanzen sind Symbole der Grenzüberschreitung und des Austauschs –
zwischen uns selbst und dem Anderen, zwischen unserem illusionären Besitz an Erfahrungen oder unserem Konsum, mit denen wir unseren Mangel an uns selbst zu kompensieren trachten und den stärker werdenden Ansprüchen, mit denen das scheinbar Fremde an uns herantritt. Riechen und Hören sind die beiden offensten und transkulturellsten Sinne die wir besitzen.
Seine Luft zum Atmen verbindet den Menschen mit dem Kosmos.
Die Gerüche durchdringen den Menschen in seinem Atem. Viele Pflanzen erreichten daher mythische Qualität; so der Lorbeer oder die Zypresse in Europa, der Drachenblutbaum in Asien. Viele Gewürzpflanzen sowie Brennhölzer vereinigten physiologische und mentale Qualitäten in sich und kamen in der Küche wie im Räucherkelch in Gebrauch, wie etwa Salbei oder Birke. Andere kamen während sexueller Ausschweifungen in sakral gebundenen oder profanen Ritualen zu Ehren, wie das Labdanum, eines der begehrtesten Aphrodisiaka des europäischen Altertums. Wie die Kulturen selbst, haben auch die Räucherpflanzen immer wieder Rückschläge in ihrer Geschichte zu verzeichnen: Die Räucherung von Weihrauch wurde im katholischen Europa außerhalb kultisch geweihter Räume untersagt, die Verwendung nur eines bestimmten Weihrauchs in kirchlichen Feiern vorgeschrieben; an einer Universität in Utah wurden kürzlich einem indianischen Studenten seine meditativen Übungen unter Anwendung von Salbeiräucherung untersagt; in vielen islamisch geprägten Ländern gibt es Restriktionen für die anrüchig duftenden Essenzen der Pflanzen. Die ‘Rose von Mekka’ ist ein Überlebender der kultischen Bereinigung der Düfte…
Pflanzen werden aufgrund ihres sympathikomimetischen und empathogenen Potentials natürlich auch als Psychodrogen konsumiert, als Mittel zur Stimulation oder Entlastung.
Hier gibt es einen direkten unvermittelten Dialog, eine Einheit von Pflanze und Mensch, botanisch-neurophysiologische Schnittstellen der Kommunikation. Botenstoffe der Pflanzen interagieren mit den Neurorezeptoren im menschlichen Gehirn. Unsichtbar wie die Töne strömen die Duftmoleküle auf uns ein und teilen uns etwas mit, indem sie unseren Geist verändern [Selbstverständlich kommen ausschließlich pflanzliche Essenzen zum Einsatz, die medizinisch verträglich sind und dem BTMG entsprechen]. Jeder kennt solche Einwirkungen und verfügt bewusst und unbewusst über einen Vorrat davon im sogenannten episodisch-autobiographischen Gedächtnis. Nicht nur in den Literaturen der Welt trägt ein jeder Duft und Geruch sein eigenes, individuell und gemeinschaftlich geprägtes Narrativ in sich. Darüber hinaus lässt sich das im Gehirn angelegte olfaktorische Differenzierungsvermögen als Wissenschaft der Aromastoffe gezielt trainieren [Vgl. u.a. Günther Ohloff, Riechstoffe und Geruchssinn].